• Mal nach den Rechten schauen

    #6 NS-Spurensuche in Köln

    Wusstet ihr, dass es Hakenkreuze am Kölner Dom gibt? Seid ihr euch bewusst, dass ihr bei einem Besuch in der Messe Deutz auf Boden eines ehemaligen Konzentrationsaußenlagers steht?

    In der 6. Folge von Mal nach den Rechten schauen nehmen euch Klara & Livia mit auf einen Stadtspaziergang durch Köln. Wir sind insgesamt nicht mehr als zwei Kilometer durch die Kölner Innenstadt spaziert. Dabei sind wir einer 1990 verlegten Spur von Künstler Gunter Demnig, dem Erfinder der Stolpersteine, gefolgt, haben Hakenkreuze am Kölner Dom entdeckt und das ehemalige Konzentrationsaußenlager Messe-Deutz besucht. Außerdem waren wir beim ersten verlegten Stolperstein am Kölner Rathaus.

    Am Beispiel dieser Orte werfen wir juristische Fragen auf, die sich im Kontext ‚Erinnern an die NS-Zeit‘ stellen. Wie sollte das Denkmalschutzrecht mit Relikten aus der NS Zeit umgehen? Ist eine Informationspflicht hierüber sinnvoll? Können antisemitische Darstellungen eine Beleidigung nach dem StGB darstellen? Die strafrechtliche Aufarbeitung der NS-Zeit spielte in unserer Ausbildung keine Rolle. Die strafrechtliche Aufarbeitung und Entschädigung von Opfern von Orten wie der Kölner Messe ist jedoch noch immer unvollständig und somit aktuell relevant.

    Wir sprechen unter anderem dazu hoch oben auf den Türmen (Fialen) des Kölner Doms mit Matthias Deml, Kunsthistoriker und Pressesprecher der Kölner Dombauhütte und mit Dr. Karola Fings, ehemalige stellvertretende Leiterin des NS-Dokumentationszentrums in Köln (ein Besuch lohnt sich!) und Forscherin an der Forschungsstelle Antiziganismus an der Uni Heidelberg. Sie war Teil der Projektgruppe Messelager, die die Geschichte des Messelagers erforschte und nahm die Recherchen vor, die zur Verlegung der von uns gefolgten „Spur“ führten. Das LVR-Amt für Denkmalpflege beantwortete uns einige rechtliche Fragen schriftlich. Vielen Dank an alle Beteiligten.

    Was habt ihr auf euren Spaziergängen herausgefunden? Was denkt ihr zu den aufgeworfenen Fragen des Denkmalschutzrechts? Verlinkt uns & wir diskutieren gerne mit euch darüber. #MalnachdenRechtenSchauen

    Redaktion/Moderation

    Livia Giuliani

    Klara Miran Ipek

    Korrekturen

    • Die Spur von Gunter Demnig wurde 1990 verlegt, nicht 1980, wie erwähnt.

    • Im Lagerkomplex der Kölner Messe befand sich neben dem KZ Außenlager Buchenwald auch ein Kriegsgefangenenlager, ein Polizeihilfsgefängnis der Gestapo sowie Lager für zivile Zwangsarbeiter:innen. Die von uns im Podcast genannten Spekulationen der Zahlen zu KZ-Häftlingen beziehen sich auf alle Lager gemeinsam. Die Zahl der Häftlinge, die im KZ-Außenlager waren, ist bekannt und beläuft sich auf rund 6000 (Fings 1996, S. 56). Insbesondere die Zahl der Häftlinge im Gestapolager am Tanzbrunnen ist jedoch schwer zu bestimmen.

    Shownotes

    https://www.malnachdenrechtenschauen.de/podcast/6-ns-spurensuche-in-koeln/

    „Hohenzollernbrücke, Cologne“, by glasseyes view, CC-BY-SA 2.0

    #5 Zivil(un)recht: Zivilrechtsprechung in der NS-Zeit – Ein Interview mit Georg Falk

    In der fünften Folge des Podcast geht es um die Frage, wie anfällig Rechtsanwendung für Missbrauch und Vereinnahmung durch Ideologien ist. Anschauungsobjekt soll dabei das Zivilrecht sein. In besonders drastischer und nachhaltiger Weise wurden Rechtswissenschaft und Rechtsprechung in der Zeit des Nationalsozialismus beeinflusst. In dieser Zeit entstand ein staatliches System der Entrechtung und Verfolgung ganzer Personengruppen. Die Rechtsordnung spielte eine entscheidende Rolle bei der Verfestigung und Etablierung dieser Politik. Wie verhielt sich hierzu das Zivilrecht? In der Nachkriegszeit hielt sich lange der Mythos einer standhaften Zivilrechtsprechung. Ist diese Auffassung aber zutreffend?

    Der Gast unserer Folge, Dr. Georg Falk, hat sich im Rahmen eines Forschungsprojekts näher mit der Rechtsprechung im OLG-Bezirk Frankfurt a.M. in der NS-Zeit befasst. Die Publikation „Willige Vollstrecker oder standhafte Richter?“, deren Mitverfasser unser Gast ist, stellt Gerichtsentscheidungen dar, die charakteristisch für die damalige Zeit stehen. Neben unauffälligen und teils mutigen Entscheidungen stechen auch Fälle heraus, in denen NS-Ideologie zur Richtschnur der gerichtlichen Entscheidung wurde. Anhand von zwei Beispielsfällen soll gezeigt werden, wie sich die Einbindung der NS-Ideologie konkret vollzog. Die Fälle verdeutlichen (wie im Fall Alice Biow), dass Entrechtung und Diskriminierung im Alltag oftmals der Vertreibung und Ermordung verfolgter Personen vorausgingen. Alice Biow verlor 1938 einen Zivilprozess. 1942 wurde diese zusammen mit ihrer jüngeren Schwester in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und ermordet.

    Diese Fragen sind höchst aktuell. Zwar hat sich die Rechtsprechung nach 1945 gewandelt und orientiert sich heute am Verfassungsverständnis des Grundgesetzes. Hindert dies aber in jedem Fall eine Vereinnahmung durch bestimmte politische Ideologien? Wie kann die Ausbildung auf diese Herausforderungen reagieren? Kann Rechtsprechung überhaupt objektiv und neutral sein? Wie so oft erweist sich der Blick in die Vergangenheit als erkenntnisreich.

    Shownotes

    • Falk, Georg D. / Stump, Ulrich / Hartleib, Rudolf H. / Schlitz, Klaus / Braun, Jens-Daniel: Willige Vollstrecker oder standhafte Richter? Die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in Zivilsachen von 1933 bis 1945, Historische Kommission für Hessen, Marburg 2020.

    • Gruenewaldt, Arthur von: Die Richterschaft des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in der Zeit des Nationalsozialismus. Die Personalpolitik und Personalentwicklung, Tübingen 2015.

    • Rüthers, Bernd: Die unbegrenzte Auslegung. Zum Wandel der Privatrechtsordnung im Nationalsozialismus, 8. Auflage, Tübingen 2017.

    • Schröder, Rainer: „…aber im Zivilrecht sind die Richter standhaft geblieben!“ Die Urteile des OLG Celle aus dem Dritten Reich, Baden-Baden 1988.

    • Staff, Ilse: Justiz im Dritten Reich. Eine Dokumentation, Frankfurt a.M. 1964.

    Weitere lesenswerte Beiträge, insbesondere zu den Fallbesprechungen, auf unserer Homepage!

    Quellen und Lizenzen:

    Folgenbild: Überarbeitete Version von „Frankfurt am Main: Gerichtsstraße 2 (Gebäude B des Landgerichts), von Südosten gesehen“ von Roland Meinecke, veröffentlicht unter GNU-Lizenz (https://www.gnu.org/licenses/old-licenses/fdl-1.2.html (5.1.2021)).

    Kapitelbild „Volksempfänger“: Quelle &Lizenz unter https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ve301w.jpg

    #4 Palandt umbenannt!

    Palandt umbenannt! Otto Palandt war ein hochrangiger Nazi-Funktionär. Ab 1934 war er Leiter des Reichsprüfungsamtes und hat in dieser Funktion die juristische Ausbildung im Sinne des Nationalsozialismus verändert. Nach ihm ist der wichtigste Zivilrechtskommentar zum BGB aus dem Hause Beck benannt –  bis jetzt. Nach fast 5 Jahren seit der Gründung der Intiative Palandt umbennenen kündigte der Beck Verlag nun an „Namen von Juristen, die in der NS-Zeit aktiv waren, werden auf den Titeln nicht beibehalten“. Wir haben Janwillem angerufen um mit ihm über diese Entwicklung zu sprechen. Diese Folge ist ein Update zu Folge 1 „Jura umbennenen!“.

    Shownotes:  

    Pressemitteilung C.H. Beck Verlag http://www.presse.beck.de/home/chbeck-wird-werke-aus-seinem-verlagsprogramm-umbenennen.aspx  

    Initiative Palandt umbenennen https://palandtumbenennen.de  

    MNDRS Folge 1 „Jura umbennenen!“ https://www.malnachdenrechtenschauen.de/podcast/jura-umbenennen/  

    ZEIT Online https://www.zeit.de/zustimmung?url=https%3A%2F%2Fwww.zeit.de%2Fgesellschaft%2F2021-07%2Fotto-palandt-verlag-umbenennung-gesetzbuch-werke-ns-juristen-nationalsozialismus  

    Süddeutsche Zeitung https://www.sueddeutsche.de/politik/justiz-nationalsozialisten-beck-verlag-ehrung-1.5364430

    Moderation und Redaktion

    Jonas und Whitney

    Mit freundlicher Unterstützung der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

    #3 Widerstände. Fritz Bauer, ein unbequemer Mahner

    In unserer dritten Folge von ‚Mal nach den Rechten schauen‘ blicken wir auf das turbulente und spannende Wirken des Juristen Fritz Bauer. Als jüdischer Sozialdemokrat wird Fritz Bauer von den Nationalsozialisten festgenommen und kann später ins Exil nach Dänemark entkommen. Er überlebt den Krieg und kehrt 1949 zurück nach Deutschland, wo er schließlich als Generalstaatsanwalt in Frankfurt die Auschwitz-Prozesse initialisiert. Mit seinem Einsatz für die rechtliche Aufklärung der NS-Verbrechen schreibt er Geschichte. Doch trotzdem ist er vielen Jurastudent:innen heute unbekannt.

    Deswegen haben Elisa, Whitney und Nora Ronen Steinke eingeladen, um gemeinsam mit ihm Fritz Bauer und sein Denken in Erinnerung zu rufen. Ronen Steinke ist Jurist, Autor und Journalist und hat sich in seinem Buch ‚Fritz Bauer: oder Auschwitz vor Gericht‘ intensiv mit der Lebensgeschichte einer der wichtigsten Jurist:innen des 20. Jahrhunderts auseinandergesetzt.

    Shownotes

    Lesetipp: Fritz Bauer – „Kampf um des Menschen Rechte“

    Lesetipp: Buch von Ronen Steinke “Fritz Bauer: oder Auschwitz vor Gericht” bei Piper erschienen

    Lesetipp: Fritz Bauer 1903-1968 – The prosecutor who found Eichmann and put Auschwitz on trial von Irmtrud Wojak

    https://www.topographie.de/ausstellungen/sonderausstellungen/#c6537

    https://www.fritz-bauer-institut.de/audioarchiv/das-unverstehbare-verstehen-der-holocaust-und-die-rechtsgeschichte

    Fritz Bauer – Generalstaatsanwalt. Nazi-Jäger | Dokumentation

    Fritz Bauer im Frankfurter Kellerklub 1964

    Infotipp: Das Frankfurter Fritz Bauer Institut hat unterschiedliche Publikationen von und über Fritz Bauer herausgegeben

    Lesetipp: Alexander Kluges Buch “Wer ein Wort des Trostes spricht, ist ein Verräter: 48 Geschichten für Fritz Bauer”

    Filmtipp: Der Staat gegen Fritz Bauer. Mit fiktionalen Momenten

    Lesetipp: Arno Lustiger: Zum Kampf auf Leben und Tod. Das Buch vom Widerstand der Juden 1933–1945

    Moderation und Redaktion

    Elisa, Whitney und Nora

    Mit freundlicher Unterstützung der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

    #2 Weggefallen. Zur Geschichte des § 175 StGB

    Schlägt man den § 175, welcher homosexuelle Handlungen von Männern unter Strafe stellte, im Strafgesetzbuch heute auf, findet sich dort nur noch ein einziges Wort: „weggefallen“, denn der Tatbestand wurde 1994 aufgehoben. Welche Geschichte hinter dem Wort „weggefallen“ jedoch eigentlich steckt, möchten wir in unserer zweiten Folge besprechen. Hinterfragen werden Tabasom und Viktoria dabei vor allem, was der Paragraph für Betroffene bedeutete, wieso der Straftatbestand nach 1933 verschärft und auch erst 1994 gestrichen wurde. Mit unserem Interviewpartner Georg Härpfer, ehemaliges Vorstandsmitglied der Bundesinteressenvertretung Schwuler Senioren, werden wir zudem näher auf das Rehabilitierungsgesetz von 2017 eingehen und die Frage diskutieren, wieso es so lange dauerte, Betroffene zu rehabilitieren.

    Shownotes

    Moderation und Redaktion

    Tabasom und Viktoria

    Fragen und Anmerkungen zur Folge

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    • E-Mail: info@malnachdenrechtenschauen.de

    Mit freundlicher Unterstützung der Rosa-Luxemburg-Stiftung.